Ich bin dann mal weg …
So heißt das Buch von Hape Kerkeling, das er über seine Erfahrung mit dem Pilgern geschrieben hat. 2001 ist er 630 km auf dem nordspanischen Jakobsweg gepilgert. Der Jakobsweg hat als Ziel das (angebliche) Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela. Mit seinem Buch hat Hape Kerkeling das Pilgern populär gemacht. Die Route entstand schon im 11. Jahrhundert, denn das Pilgern gehört zur frühen Geschichte unserer Kirche. Reisen ins Heilige Land nach Jerusalem hat es schon in den ersten Jahrhunderten gegeben. Ja, die Möglichkeit und Sicherheit für Pilger wurde von den Päpsten sogar mit als Grund für die Kreuzzüge angeführt. Doch haben die Kreuzzüge die Sicherheit und Akzeptanz alles andere als verbessert. Vielleicht gewann wegen dieser Schwierigkeiten der Jakobsweg seit dem 11. Jh. diese Bedeutung. Auch in der Risumer Kirche kann man Spuren davon finden. Schauen Sie sich geschnitzte Figurengruppe an, die links vom Altar an der Wand hängt. Es sind die 12 Jünger Jesu, zu denen Jakobus gehört. Er ist gut zu erkennen, denn er trägt die Symbole eines Pilgers: den Hut, den Wanderstab und die Jakobsmuschel.
Wer aufbricht und eine Pilgerreise macht, hat dafür seine ganz eigenen Gründe. Hape Kerkeling suchte nach Hörsturz und einer Operation eine Auszeit, um wieder zu sich zu kommen. Mir geht es ähnlich. Ich möchte ohne Terminkalender sehen, was der Tag bringt, wie weit meine Kräfte jeweils reichen, wo ich lande und auf welche Menschen ich treffe. Mein Weg soll nach Jerusalem führen, vorbei an den Stätten, von denen wir sonntags in der Bibel lesen, vorbei an Tarsus, wo Paulus geboren wurde und den großen Orten der frühen Kirche wie Byzanz (Istanbul) oder Antiochia. Der ganz direkte Weg ist mir verwehrt, denn er würde durch Syrien oder den Libanon führen. Hier stoße ich an die Grenzen der politischen Lage, auf die hinzuweisen auch ein Teil meiner Motivation ist. Ich habe Freunde unter Israelis und Palästinenser, die beide unter der verschärften Lage seit dem 7. Oktober leiden, an dem Hamasanhänger israelische Bewohner von angrenzenden Orten aus dem Gazastreifen heraus überfallen und bestialisch niedergemetzelt haben. Immer noch sind 120 Geiseln im Gazastreifen verschleppt. Seitdem ist Israel auch im Norden vom Libanon her unter Raketenbeschuss, und die Palästinenser im Westjordanland sind Übergriffen radikaler Siedler ausgesetzt, die von der Regierung nicht unterbunden werden. Und doch gibt es in diesem allen Menschen, die sich nicht zu Feinden machen lassen wollen (wie Familie Nassar mit ihrem Projekt Tens of Nations), die unermüdlich in Friedensinitiativen wie Rabbis for human rights sich für die Menschen und die Menschlichkeit einsetzen. Diese Menschlichkeit ist Ziel meiner Reise. Ich hoffe sie auf dem Wege zu entdecken und dabei mich Gottes Führung und Leitung an jedem Tag anzuvertrauen.
Schließen Sie mich in Ihr Gebet mit ein, so wie ich das auch tun werde.
Schalom, Salaam, Friede sei mit uns allen
Ihr Pastor
Andreas Schulz-Schönfeld